Mittwoch, 8. Juni 2005

Von Türkenfeld nach Geltendorf (4. Etappe)

Ca. 5 km in 1 1/2 Stunden, bei Sonne und Wolken, 15 Grad, 8.6.2005

Die letzte Etappe innerhalb des Schonraumes der S-Bahn. Da die Wegstrecke zwischen den beiden S-Bahn Stationen sehr kurz ist, mache ich einen kleinen Umweg über das Kloster St. Ottilien.






Dort merke ich (beim Anblick der Klostergaststätte?), dass ich mit nur 30 Cent unterwegs bin. Aber ich habe ja Essen und Trinken dabei.


















Meinen Heimatlandkreis Fürstenfeldbruck habe ich nun auch schon verlassen.

Montag, 6. Juni 2005

Von Schöngeising nach Türkenfeld (3. Etappe)

Ca. 12 km in 4 Stunden, bei Sonnenschein, 13.4.05

In Kottgeisering frage ich auf einer Oktopuskreuzung (viele Wege führen verschlungen in viele Richtungen) eine Radfahrerin nach dem Weg. Sie erklärt mir
, wie ich nun „fahren“ müsste. Kein Auto, Fahrrad oder sonstiges Fahrzeug steht in meiner Nähe. Um nicht schon wieder als suspekte Fußgängerin aufzufallen, kläre ich sich auch nicht auf, bedanke mich, und gehe halt doch wieder querfeldein.

Kurz vor Türkenfeld, die Kirchenglocken schlagen gerade 12 Uhr, überfällt mich eine Müdigkeit. Bank, Bach, Baum und wärmende Sonne laden mich zu einem kleinen Mittagsschläfchen ein. Als ich wieder aufwache, bin ich umgeben von einer dynamischen Seniorenwandergruppe. 19 Seniorinnen und ein Senior. Ausgerüstet mit Nordic Walking Stöcken und Multifunktions Wear. So gesehen sehe ich alt aus mit meinen Lederstiefeln, Levis-Jeans und verschwitztem Kapuzen-Sweat-Shirt (=Multifunktions Wear der 80iger-Jahre). Aber Gott sei Dank gehen sie schnellen Schrittes weiter. Wenn die wüssten, dass ich zum Atlantik gehe!


Vom S-Bahnhof in Türkenfeld fahre ich dann wieder die zwei Stationen zurück zum Auto in Schöngeising.


Von Fürstenfeldbruck nach Schöngeising (2. Etappe)

Ca. 10 km in 4 Stunden, bei Sonnenschein, 16.3.2005




An diesem Tag, einem Mittwoch, traf ich fast keinen Menschen. Es war anstrengend zu gehen, da auf dem Weg noch eine dicke Schneeschicht mit eingefrorenen Fußspuren lag. Aber Hauptsache es geht weiter.


Von Gröbenzell nach Fürstenfeldbruck (1. Etappe)



Ca. 12 km in vier Stunden, bei schönem, warmen Sommerwetter.

Das war im Herbst 2004 (im September?). Ich weiß es nicht mehr. Vielleicht auch noch im August. Jedenfalls zwischen der letzten Chemotherapie und Bestrahlung.

Zwar war ich körperlich nicht besonders fit, dennoch war es wichtig zu starten. Jetzt zu starten, und nicht dann, wenn ich irgendeinmal Zeit haben würden, wenn es mir besser ginge, oder sonst was wäre.

Es tun! Mit dem Anfang dieses Weges habe ich mein Lebensseil wieder zu fassen bekommen, und der ferne Fixpunkt im Westen verlieh mir wieder Zuversicht.

Am Ende konnte ich mich kaum noch bewegen und musste mich abholen lassen. Dennoch war mehr Leben in mir als zuvor.

Die Idee - Zu Fuß zum Atlantik

Wie kam ich dazu? Die Idee kam in einer Zeit, in der ich aufgrund familiärer Turbulenzen das Gefühl hatte, dass nun wirklich alles nur noch auf meinen Schultern lastete. In der Buchhandlung in Starnberg (… aus welchem Grund war ich dort??), dort schoss mir das Buch in die Augen: Von München nach Venedig.


Ohne zu wissen warum, faszinierte es mich sofort, und es ward mein. Nachdem ich mir noch Infos aus dem Internet geholt hatte, war ich überzeugt, das ist es!!
Leider konnte ich niemanden in meiner Familie mitreißen. Aber das war mir zu diesem Zeitpunkt schon egal, ich musste gehen.


So stieg ich nun detaillierter in den Weg ein, und musste feststellen, dass ich es mit meiner Kondition wohl nicht schaffen würde. Das Problem waren vor allem die Steigungen und teilweise noch recht anspruchsvolle Klettersteige. Somit hätte ich mir den Weg neu für meine Bedürfnisse einteilen müssen.


Irgendwann kam ich dann auf die Idee, dass ich ja meinen eigenen Weg gehen könnte (man beachte den Doppelsinn).


Doch, wo war mein Weg? Natürlich im Westen, dort wo ich schon immer im blauen Himmel den Atlantik sehen konnte. Schon damals mit vier Jahren, allein in unserem Garten, vereint und in Frieden mit mir, als ich noch nichts vom großen Meer wusste, lockte mich der viel versprechende blaue Himmel hinter unseren Föhren.



Also, Richtung Westen. Am besten direkt auf geradem Wege. Die Westspitze der Bretagne liegt dort.
Mein geistiges Lineal zeichnete den Weg entlang des 48.ten Breitengrades.


Nur der Beginn des Weges hatte sich wieder in meinem Alltag verheddert. Wenn die Zeit mal reicht, dann….


Schließlich kam die Diagnose: Rückfall des Morbus Hodgkin, der mich vor 10 Jahren schon mal kurz begleitet hatte. Der Beginn, nein das ganze Vorhaben, erstarb in meiner Hoffnungslosigkeit.


Irgendwann nach den ersten drei Schockmonaten, nachdem ich mich an das Leben mit Chemotherapie und dauernder Krankheit und Einschränkung schon fast gewöhnt hatte, wurde der Traum wiedergeboren.
Worauf sollte ich eigentlich immer noch warten. Vielleicht würde ich nie mehr gesund werden. So lange konnte ich nicht mehr warten. Ich würde ganz langsam gehen. Mein eigenes Tempo. Und wenn es ewig dauern würde, es ist mein Tempo, und es ist mein Weg.


Einige Wochen nach der letzten Chemo (und noch vor den Bestrahlungen) startete ich. Es war eines der wichtigsten Erlebnisse meines Lebens. Endlich meinen eigenen Weg zu gehen. Ganz bewusst. Alleine. Ich hätte davonfliegen können vor Glück.


Dieser Weg, ein unberührter, von niemandem eingetreten, erscheint mir abenteuerlicher, als die Erkundung der Quellen des Nils. Denn ich gehe einen nur für mich sichtbaren Weg durch die Lebensräume unserer Zivilisation.

Zu Fuß zum Atlantik, oder die Zukunft liegt im Westen

Juni 2005


In drei Tagen wird es sich entscheiden, wie mein Leben weitergeht. Ob ich wieder mal der Phönix bin, und aus der Asche entsteigen werde, oder ob die moderne Medizin neue Foltermethoden für mich bereithält, um meinen Lebensfaden nochmals zu verknoten und zu verlängern.


Der Festplattencrash vor drei Wochen war eine Zäsur. All meine Daten waren verloren. Die Unterstützungsmails von meinen Freundinnen während des ganzen letzten Jahres, aber auch meine eigenen Zustandsbeschreibungen, die ich nun nicht mehr formulieren könnte, da mein Gehirn gnädigerweise einen Schleier darüber gelegt hat.

Und ebenso die ersten drei Etappen meiner Expedition nach Westen gingen so verloren.

Ich werde versuchen, sie aus der Erinnerung heraus zu schreiben.