Donnerstag, 9. September 2010

Heimreise von Clerval nach München

7.9./8.9.2010 Clerval-München 500km in 30 Stunden




Irgendwie hat sich alles ganz schön gefügt. Die letzte geplante Etappe nach Baume-les-Dames kommt nicht mehr zu stande. Im Vorfeld konnte ich keine Unterkunft reservieren, und dachte dann, dass ich das auch von unterwegs machen könnte. Doch nun hätte ich mit meinen blutigen Füßen keinen Schritt mehr tun können, und noch dazu setzte nach ununterbrochen schönem Wetter der Regen ein. Und somit standen die Zeichen klar auf Rückreise.
Zuerst gab es noch ein eher englisches Frühstück bei Madame et Monsieur Corneille zusammen mit zwei jüngeren Servicetechnikern aus Paris. Einer von beiden hat als Kind einmal für kurze Zeit in München-Solln gelebt. Das Wort Apfelsaft konnte er immerhin noch.



Nach dem Frühstück eilig im dunkelgrau verhangenen Clerval zum angrenzenden Bahnhof.



Doch die Eile war umsonst. Wegen des Generalstreiks in Frankreich – la retraite, die Rente mit 62 -, war alles lahmgelegt und der einzige Zug in Richtung Belfort fuhr erst am Nachmittag. Die ersten Stunden beschäftigte ich mich mit meinem einzigen Lesematerial, der Gebrauchsanweisung für den Fotoapparat und einer französischen Grammatik. Der Ticketautomat mit französischen Anweisungen war am Anfang auch noch etwas unterhaltsam.

Tableau de composition des trains – Wagenstandsanzeiger ....
in der Übersetzung dieses einen Wortes liegt die ganze Geschichte und die Unterschiede der beiden Sprachen.
Irgendwann ging ich dann trotz meiner schmerzenden Füße ins Zentrum von Clerval. Auf einem verlassenem Gebäude die Einladung zum Tanztee, die drei Bäckereien verauften ihre paar Weißbrote und Croissants, ein kleiner Supermarkt, und das war es dann eigentlich.
Gegen Abend kam ich dann über Montbeliard und Belfort nach Mühlhausen. Dort ging ich auf Zimmersuche, konnte mich irgendwie nicht entscheiden, und nachdem ich dann doch eine Unterkunft betrat, schnappte mir ein junger Mann das letzte Zimmer weg. Ich kam dann in einem benachbarten Hotel, dem weit weniger sympathischen Interhotel Salvator unter. Vom meinem Fenster aus konnte ich noch lange die Streikenden im strömenden Regen beobachten, während meine Füße wieder liegend auf Heilung eingestellt waren.
Am nächsten Morgen löste ich dann ein Ticket nach Basel, von wo aus ich endlich über Schaffhausen, Singen, Friedrichshafen, Biberach und Ulm nach München zurückkehrte.
Eine lange Reise.

Montag, 6. September 2010

Von Longevelle bis Clerval (31. Etappe)

Ca. 25 km in ich weiß nicht mehr wie vielen Stunden
06.09.2010
der letzte schöne Tag vor dem großen Regen
Departement:Territoire de Doubs
Arrondissement: Montbeliard
Übernachtung: Chambre-d'hotes Colette et Robert Corneille


Nochmals ein Blick zurück nach Longevelle.

Heute habe ich mir nochmals die Seele aus dem Leibe gelaufen. Eine Doubs-Schlinge nach der anderen, die heißgelaufenenen, schmerzpochenden Füße, im monotonen Schritt. Nach jeder Pause wurde es nur noch schlimmer und so gibt es nur die eine Möglichkeit – immer weiter gehen. Gelegentlich treffe ich ein Hausboot. Entweder überholt es mich, oder umgekehrt, falls es auf dem Rhein-Rhone-Kanal gerade durch eine Schleuse fährt.

Da bin ich mit meinen 8kg Gepäck deutlich leichter unterwegs.


Zwischendurch immer mal wieder ein Gruß oder ein Schwätzchen mit einem Angler.
Diese Art des zur Ruhekommens, das Warten auf den Biss des Fisches, einfach nur das Warten, oder auch das Wartenkönnen werden mir irgendwie immer sympathischer. Eine Angel ist ein Grund zum Schweigen. Man(n) muss sich nicht rechtfertigen.

Letztendlich komme ich durch das Industriegebiet von Clerval zu meiner letzten Unterkunft. Clerval kommt von claire vallee. Das Tal wurde an dieser Stelle irgendwann einmal von den Bäumen befreit „clairière de la vallee“. Die Industrie besteht aus einer großen Käsefabrik, Plastival, der Groupe Streit und noch weiteren. Und nun zu meiner Unterkunft. Das Haus der Familie Corneille bekommt für diese Woche von mir den ersten Preis. Es ist direkt am Bahnhof von Clerval gelegen, was aufgrund der Zugfrequenzen aber keineswegs eine Lärmbelästigung bedeutet. Hinter riesigen, breiten, akkurat geschnittenen Hecken wartet ein blumengeschmücktes Haus mit Sonnenschirm auf der Terrasse vor dem Eingang. Und dann beim Hineintreten ein fast ein royaler Stil mit offenem Treppenhaus, großem Lüster im Eingangsbereich und dunklen Blumentapeten. Alles in allem ist alles sehr aufmerksam und liebevoll gemacht. Man bemerkt einfach sofort den professionellen gastronomischen Hintergrund des etwas älteren Ehepaars. Wenn meine Füße nicht so schlimm wären, dann würde ich hier noch etwas auf Entdeckungstour gehen. Aber so ziehe meine Schuhe und Socken aus und gönne ihnen wieder eine kurze Heilungsphase.


Clerval hat eine nett gemachte Internetseite auf deutsch: http://clerval.pagesperso-orange.fr/presentation/presentallem.htm , die dann auch zur offizielle Homepage des Ortes führt.

Sonntag, 5. September 2010

Von Audincourt bis Longevelle (30. Etappe)

Ca. 18 km in 6 Stunden
05.09.2010
20 Grad Sonne und angenehmer leichter Wind
Departement:Territoire de Belfort, Doubs
Arrondissement: Belfort, Montbeliard
Übernachtung: Aux Berges du Doubs

Obwohl das Hotel Tilleuls sehr unscheinbar in einem Industriegebiet liegt, kann ich es nur empfehlen. Ich nehme Abschied vom gutmütigen Dobermann der Besitzerin und den polnischen Arbeitern, die das Wochenende wohl auch hier verbringen. Es geht wieder hinaus aus dem Industriegebiet, das am Sonntagmorgen sozusagen tot ist.

Nun ändert sich die Landschaft allmählich komplett. Durch ein kompliziertes Geflecht von Straßen arbeite ich mich bis Veaujeancourt und dann bin ich endlich wirklich am Doubs und am Doubs-Kanal. Endlich kann ich mich nicht mehr verlaufen.

Und hier stoße ich auch wieder auf den Euro Velo 6.

Der Weg ist klar. Und man wird immer wieder belohnt. Schöne Ausblicke, seltene Vögel, die Ruhe der Fischer, der Ziegenbock in Dampierre-sur-le-Doubs.



Auszittern. Das ist das Wort.

Wenn die Blasen an meinen Fersen nicht wären, aber so gehe ich wie auf rohen Eiern. So gut wie kein Mensch ist hier am Kanal. Ruhe. Ganz allein. Wasser rauscht, Wind rauscht, Wadenkrämpfe.


Am Nachmittag dann endlich in Longevelle, wo ich mich in den Garten legen kann und mir die Sonne auf den Bauch scheinen lasse. Das Wortspiel meiner Unterkunft bedeutet: an den Ufern des Doubs. Aux berges – auberge.


Eine angenehmes und unkompliziertes Übernachten mit einem hervorragenden Abendessen. Das Frühstück war hier aber nun leider wirklich Französisch. Das Zimmer und der Ausblick auf den Doubs waren sehr angenehm. Hier habe ich mich sehr wohl gefühlt.




Samstag, 4. September 2010

Von Delle bis Audincourt (29. Etappe)

Ca. 19km in 6 Stunden
04.09.2010
22 Grad, leichter Wind, schönes Spätsommerwetter
Departement:Territoire de Belfort, Doubs
Arrondissement: Belfort, Montbeliard
Übernachtung : Hotel Tilleuls, Audincourt


Der Tag begann genau so, wie der Vortag aufgehört hatte. Das trostlose Frühstücksambiente im Hotel ließ mich schnell aufbrechen, und dann bin ich sozusagen durch das Zentrum von Delle gekreist. Eigentlich ein sehr hübsches Städtchen, und hab, verflixt nochmal, nicht den richtigen Weg hinaus gefunden. Trotz eines netten Gemüsehändlers und seiner Kundschaft.
Nachdem ich an einem Bach schon ein ganzes Stück von Delle entfernt war, hat mich endlich ein türkisches Ehepaar, dessen Französisch genauso gut wie meines war, auf den richtigen Weg gebracht. Aber hier ist es nun endgültig Schluss mit den Menschen, die vielleicht noch Elsässisch sprechen. Es war eigentlich politisch nicht korrekt, zu fragen: „parlez-vous Allemand?“ Nein, Elsässisch ist schon etwas anderes, aber mit bayerischen Wurzeln und dem langsamen Durchwandern der Sprachräume der Schwaben, Allemannen, Schweizer ist es für mich sehr gut zu verstehen. Doch nun, dank türkischer Unterstützung, bin ich nun wieder on the road, auf der Landstraße, bergauf-bergab, ganz oft.


Die schmerzenden Füße habe ich verdrängt. Endlich, in Beaucourt.



Die Ortsnamen mit den Höfen, den Courts, treten hier gedrängt auf. Der Name Court (1148: Cort; 1179: Curt) ist von Curtis = Meierhof herzuleiten und findet sich als Bestandteil einer Menge von Ortsnamen im Juragebirge.




In der Apotheke in Beaucourt versuche ich ein Blasenpflaster zu kaufen. Aufgrund der vergangenen guten Erfahrungen hatte ich nicht genügend dabei. Blasenpflaster auf Französisch? Mit Umschreibungen habe ich versucht zu erklären, was ich kaufen möchte (nein, ich habe Schuhe und Socken nicht ausgezogen), und siehe da, ein sehr netter Apotheker hat seine Deutschkenntnisse ausgegraben und gibt mir die Gebrauchsanweisung auf Deutsch. Außerdem war er letztes Jahr in München und schwärmt von den Pinakotheken, ja, die finde ich auch schön, da arbeitet mein Mann.



So schön die Gegend ist, ein körperliches Wohlgefühl kann sich durch den Dauerschmerz in den Füßen nicht einstellen. In Audincourt schließlich führt mich ein Damm, der auf einer alten Bahnlinie gebaut wurde, verkehrsfrei ziemlich weit ins Zentrum. Die letzten Meter bringt mich Francoise „auf den richtigen Weg“. Sie hat einfach Zeit, einer müden Wanderin den Weg zu zeigen und ein Stück mitzugehen. Das Hotel Tilleul ist das erste vernünftige Hotel (mit Wasserkocher!!) in dieser Woche.

Freitag, 3. September 2010

Von Ferrette bis Delle (28. Etappe)

Ca. 34km in 8,5 Stunden
03.09.2010, 25 Grad, Sonne und etwas Wind,
viel bergauf, mindestens 800m -eher viel mehr
Departement:Haut-Rhin, Territoire de Belfort
Arrondissement: Altkirch, Belfort
Übernachtung : Hotel du Nord, Delle


Dieser Tag war von Anfang an desaströs und doch irgendwie schön. Schön deswegen, weil ich ganz auf mich selbst zurückgeworfen war, und trotz aller Widrigkeiten dann doch noch irgendwie zum Ziel gekommen bin.
Nach einem guten Frühstück im Hotel Collin (noch kein spartanisch französisches Frühstück) ging ich erst einmal den steilen Anstieg durch Ferrette in den großen Bois de Ferrette. Die ersten Stunden war noch alles nebelig.


Diese Verkehrszeichen sollten symbolisch für den Tag werden.


Teilweise konnte ich mich an Ortsschildern für Wanderwege orientieren und teilweise habe ich mich an einer Wegbeschreibung aus dem Internet orientiert, die für den Jakobsweg gedacht war. Nach drei Stunden ohne Menschen bin ich bergab gestürzt. Da ich meine Hände in den Stöcken hatte, konnte ich mich nicht abstützen und die Schwungkraft des Rucksackes stieß meinen Kopf auf einen kleinen Felsen am Weg. Mit einer blutigen Beule auf der Stirn und total verdreckt habe ich mich von der Stellung „auf dem Rücken liegender zappelnder Käfer“ wieder aufgerappelt.


Für einen Moment war mir ziemlich schwindlig und die Vorstellung, dass mich (bei abgeschaltetem Handy) hier wohl kein Mensch gefunden hätte, war auch nicht gerade angenehm. Mit etwas bewussteren Schritten kämpfte ich mich weiter. Der Weg scheint selten begangen zu werden, da mehrmals umgestürzte Bäume den Weg versperren.



Irgendwann, nach viel bergauf und bergab, mittlerweile war es auch ein wunderschöner und sonniger Herbsttag geworden, irgendwann kam ich im falschen Tal aus dem Wald. Nachdem ich einen Mann, der gerade seinen Briefkasten ausleerte, sonst war alles totenstill, nach dem Ort fragte, stellte ich dies fest. Ich war in Winkel. Sozusagen im allerletzten Winkel. Aber eine traumhafte Gegend.


Da ich nicht ohne genaue Wegbeschreibung über zwei bewaldete Höhenzüge zurückgehen wollte, entschloss ich mich, notgedrungen, auf der Landstraße weiterzugehen und einige Höhenzüge zu umgehen. Oberlarg, Levoncourt, Courtavon, Pfetterhouse, zwischendurch wieder durch ein kleines Stückchen Schweiz. In Pfetterhouse, nachmittags um halb zwei das Schild nach Delle: immer noch 20 km (!).


Die Kühe in Delle dürfen schon in den Stall, und ich bin noch elend weit vom Ziel.



Ich gab mich schon fast verloren. Somit probierte ich es erstmals mit erhobenem Daumen. Es funktionierte auf Anhieb. Ein älterer Herr, der mehr auf der linken Spur unterwegs war, nahm mich immerhin bis Rechesy, zum nächsten Ort, mit. Dann weiter nach Courtlevant, Florimont – meine Füße waren nur noch heiße, schmerzende Klumpen, aber ich hab den Schmerz kaum noch wahrgenommen. Mein Gehirn hat die Füße auf „weitergehen“ programmiert. Kurz nach Florimont hat mich für die letzten Kilometer dann noch ein Ehepaar mitgenommen. Sie haben mich direkt vor dem Hotel du Nord in Delle abgesetzt.
Das Hotel war dann die passende Fortsetzung des Tages.


Donnerstag, 2. September 2010

Von Biel-Benken nach Ferrette (27. Etappe)



Ca. 20km in 6 Stunden, bergauf-bergab bei 23 Grad, Wind, Sonne
02.09.2010
Region: Elsass
Departement: Haut-Rhin
Arrondissement: Altkirch
Übernachtung : Hotel Collin


Nach dem üblichen Frühstück breche ich auf. Der Weg von Biel-Benken ins Leymener Tal ist geprägt vom großen kleinen Grenzverkehr. Man fährt über die Grenze in Richtung Osten zur Arbeit.




Oltingue


Ich überschreite auch mehrmals die Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich, die hier im Zickzack verläuft. Es gibt aber keine Grenzkontrollen, sondern lediglich verlassene Grenzhäuschen.















Nach viel bergauf-bergab komme ich endlich in Ferrette an. Ein wunderschönes altes Städchen.
Im Hotel Collin ist das Restaurant heute geschlossen, da Einschulung der Tochter in die sechste Klasse ist. Die Inhaberin spricht Gottseidank elsässisch, so dass ich noch nicht französisch sprechen muss. Das Zimmer ist groß und sauber.




Nein, das ist nicht meine Unterkunft...


Obwohl ich schon etwas k.o. bin , packe ich es nach einer Dusche nochmals an, und steige nochmals in die Höhe zur Burgruine Hohenpfirt. Man hat dort einen wunderbaren Ausblick in das Sundgau, eine der unbekanntesten Gegenden.




Mittwoch, 1. September 2010

Von Basel nach Biel-Benken (26. Etappe)


Ca. 12km in 3 Stunden
20 Grad, Sonne, Wolken leichter Wind
01.09.2010
Kanton: Basel Landschaft
Bezirk: Arlesheim
Übernachtung : Gasthof Rössli

Nach der Zugfahrt von München über Karlsruhe komme ich am Nachmittag im Badischen Bahnhof in Basel an. Das „Thank You for travelling with Deutsche Bahn“ im sächsischen Akzent klingt mir noch in den Ohren.

Diesmal habe ich es geschafft, mit dem Gepäck unter 8 kg zu bleiben. Mit wachsender Sicherheit braucht man immer weniger. Außerdem gehe ich nun mit leichteren Trekkingschuhen und Stöcken.




Installation im Kunstmuseum Basel



Zuerst durchwandere ich das Stadtgebiet von Basel und versuche dann aber im Stadteil Binningen doch irgendwie auf Feldwege auszuweichen.

Die Routenplanung von Google Maps, die ich mir zuhause ausgedruckt habe, ist nur sehr mäßig brauchbar.

Außerdem stelle ich fest, dass mit zuviel Routenplanern die eigene Intuition und der Kontakt zu den Menschen verloren geht.






Das Einzelzimmer im Hotel Rössli ist ok. Aber wie immer sind Prospekt und Frontansicht des Hauses einladender, als das Zimmer dann tatsächlich ist. Der Plastikblumencharme der Gasthöfe hält auch in der Schweiz unverändert an.